Herbert Robitschko


tscherr

Der Geist bewegt die Dinge

segel atelier

 

Die zeitgenössische Bildende Kunst bedarf ihrer Klarlegung umso intensiver, je konturloser die Grenze von den tiefergehenden Ausdrucksformen zum profanen Entertainment geworden ist.

So bezieht das Werk des Malers und Designers Herbert Tscherr Robitschko seine Intensität aus der klassischen Tradition künstlerischen Schaffens – nämlich aus der Umsetzung einer Idee ins Reale, kraft profund aufgefasster und breit aufgestellter Arbeit.

Öl- und Acrylfarbe, bunte Lacke, Leinwand gerollt oder schon grundiert, wenige Pinsel, umso mehr Dosen, Rakeln und einiges mehr, was auf die verschiedenen Methoden eines teils beabsichtigten, oft auch der Spontaneität folgenden Bildaufbaus hinweist; Flachglas, Spiegelglas und deren Zuschnitte, Bruchstücke; diverse Mobiliare, ein Schminktisch beispielsweise, der seiner Revitalisierung entgegensieht.

Eine Galerie an den Wänden, noch Ungerahmtes dort angelehnt, gerade Begonnenes, Leinen 140 auf 210 Zentimeter, bedeckt die Arbeitsplatte Fußboden – so ein Blick insStudio, ein Loft mit hohen Fenstern, bunt aufgespannte Segel über unseren Köpfen, die den schöpferischen Fortgang darunter nur unterstreichen.

Aus diesem Fond entfaltet sich eine Bilderwelt, deren Skala an expressiver Abstraktion erkundet sein will: Es zählt das Augenmaß und gleichermaßen die großzügige malerische Geste, eine entschlossene Palette verquickt sich schlüssig mit dem Duktus der Komposition. Dieses Zusammenspiel lässt den Betrachter nicht nur teilhaben am augenscheinlichen Entstehungsprozess eines Bildes, sondern auch daran, wie es sich währenddessen im Bewusstsein des Künstlers in Schritten konkretisiert. Es reagiert der nonchalante malerische Mut mit einer vielseitigen, jedoch verbindlichen Weltsicht.

Das zentrale Moment jeder Malerei ist die Art und Weise, wie Farbe zur Geltung gebracht wird. Robitschko bereichert die Technik des legendären Drippings- tropfende Farbe - erfunden von Max Ernst, kultiviert von Pollock und vom Publikum gefeiert – um eine neue Spielart, die von ihm Filmdosentechnik genannt wird.

Farbe kleckst, tropft, quillt dick oder rinnt dünn, je nach Fingerdruck, aus einer mehr oder weniger weit geöffneten Filmdose – heute ein kaum mehr gebräuchliches Behältnis, aber hervorragend geeignet, um den Farbfluss Struktur und Subtilität zu verleihen. Verzweigte Konglomerate, Schlieren, Bänder, Sprenkel, Spritzer organisieren sich zu einem ereignisreichen, sinnlich vorgebrachten Tableau, das der engagierten Imagination eines Betrachters reichlich Vorschub gibt, andernfalls zur heiteren Kontemplation auffordert.

 

 

Der magische Farbraum

farben

 

Robitschko verwendet die Dosentechnik auch für das Hinterglasbild.

Obwohl als eigenständiger, anerkannter Zweig der Malerei von vielen Zeitgenossen betrieben, nimmt das Sujet einen peripheren Rang im Kunstgeschehen ein und wird – zu Unrecht! - eher dem Kunstgewerbe zugeordnet.

Die Eigenheit der Hinterglasmalerei nützt der Maler zur Erzeugung eines magischen Farbraums.

Das Verfahren ist mühsam, da seitenverkehrt gearbeitet wird; was hinter Glas gemalt wird, erscheint von vorne spiegelbildlich. Der Bildvordergrund wird – anders als beim Tafelbild – in allen Details zuerst aufgebracht und wird zuletzt vom Hintergrund abgedeckt. Das Glas ist Malgrund und Schutzschicht zugleich.
In den Hinterglaskompositionen wendet sich Robitschko vor allem naturnaher Gegenständlichkeit zu. Botanisch-landschaftliche Poesie mit philosophischen Anklängen geben einen unverstellten Eindruck vom Naturell des Malers; eine organisch abgerundete Symbolik zeugt von einem pointiertem Kunstverständnis.

 

 

 

 

 Glanzlichter

portrait bilder

 

Der mobiliare Schaffensbereich des Künstlers fügt sich der Idee des Designs, aber mehr noch stellt er die Synthese der beiden schon dargelegten Disziplinen dar. Die freie Farbgestaltung der Schönen Künste dient gleichwertig der Angewandten Kunst.

Tisch, Stuhl und Truhe kann im zweiten Leben nichts Besseres widerfahren, als sich im funkelnden Kostüm gleichsam wie neugeboren zu präsentieren. Jedes Stück ist – in der wahren Bedeutung des Wortes – ein Glanzlicht. Man kann im hochkarätigen Sinne von Glamour sprechen.

Flachglas in geometrischen Variationen kleinteilig geschnitten, gebrochen, hinterseitig gefärbt oder verspiegelt, auf den Oberflächen klebetechnisch zu Mosaiken montiert, schließt sich zu einer wundersamen bis fulminanten Ornamentik zusammen, zu mitunter knalligen, futuristischen Mustern, zu sublimer kristallener Strahlkraft.
Ohne die Funktion des Möbels zu beeinträchtigen, wird die Bauart des Stücks betont; es gewinnt so skulpturalen Charakter von beachtlichem Impetus.

Intuition und Inspiration verschränken sich in Robitschkos Arbeiten auf das Anschaulichste. Sie sind das Produkt des Erkennens der gebotenen Vorgehensweise und des Erahnens der angemessenen Expression. Während sie aktuelle Avantgarde der Kunst den lebensechten Akt künstlerischer Verwirklichung gerne kurzschlüssig umgeht, finden wir im vorliegenden Werk ein nicht selbstverständliches Beispiel schöpferischer Klugheit.

 

Peter Beile, Oktober 2016